Sommerinterview mit Peter Berthold – Dem deutschen ‚Vogelpapst‘ zum Thema: ‚Der vogelfreundliche Garten‘

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Wie gestalte ich mein Wohnumfeld vogelfreundlich?
Sommerinterview mit Peter Berthold

Professor Peter Berthold, geb. 1939 ist Ornithologe und Verhaltensforscher. Von 1981 bis 2005 war er Professor für Biologie an der Universität Konstanz. Ab 1998 bis zu seiner Emeritierung Direktor des Max- Plank- Instituts für Ornithologie. Peter Berthold ist Verfasser zahlreicher ornithologischer Standartwerke und Beststeller. Er selbst bezeichnet sich bisweilen als "0rnithomanen" - also jemanden der den "Piepmätzen" regelrecht verfallen ist. Die Zeit hält ihn für einen "Vogelkundler von Weltruf".

Als Lebensmotto hat Berthold den Leitspruch von Don Bosco gewählt: "Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen". Thomas Neder traf sich mit Peter Berthold in seinem Naturgarten in Owingen/Billafingen zu einem Sommerinterview. Und in Bertholds Gartenparadies pfeifen in der Tat auch viele leibhaftige Spatzen.

Dass er seine nachfolgenden Empfehlungen auch selbst mit größter Überzeugung umsetzt, merkt man nach den ersten Schritten. Das kleine Haus am Hang ist so gut be- und eingegrünt, dass so mancher Besucher, wie Berthold gerne mit einem schelmischen Schmunzeln berichtet, am Haus einfach vorbeigefahren ist, weil hier ja offensichtlich nichts und niemand sei.

Interview:

Sehr geehrter Herr Prof. Berthold, in Ihrem Buch "Unsere Vögel" (Ullstein Verlag) beschreiben Sie die aktuelle katastrophale Situation unserer heimischen Vogelwelt. Sie sprechen von einer roten Liste, der rötesten, die wir je hatten. Die allermeisten Gartenliebhaber sind passionierte Vogelfreunde und sorgen sich um deren Fortbestand. Welche Gestaltungselemente halten Sie in einem Garten, der vogelfreundlich sein soll, für unentbehrlich?

Der Garten sollte so natürlich wie möglich aussehen. Er sollte alle Schichten an Pflanzen haben, die bei uns vorkommen. Das heißt also, um erst einmal von ganz unten anzufangen: Möglichst viele einjährige Pflanzen, die schnell blühen und möglichst viele Samen bilden und vor allem auch ganz viele sog. "Unkräuter", die früher ganz viel auf den Feldern unterwegs waren, wie kleine Ehrenpreise, wilde Stiefmütterchen und Disteln - Pflanzen, die im 2. Jahr blühen und dann vor allem lange stehen bleiben dürfen und Samen anbieten, bis die Zugvögel wieder zurückkommen. Ganz wichtig: Stehen lassen und nicht nach der Blüte abschneiden, denn da beginnt ja erst der wichtigste Teil! Außerdem überwintern in diesen Pflanzen nat. Unmengen an Insekten, die dann im nächsten Jahr fliegen können. Wichtig sind dann natürlich auch spezielle Pflanzen, wie hier (blickt in die Nachbarschaft seiner großen Futterstelle neben dem Hauseingang) die Raue Karde, die ganz beliebt ist bei Stieglitzen. Da genügen schon 10 Pflanzen, um Stieglitze herbeizulocken. So, dann nach den Stauden natürlich Sträucher - und die in Hülle und Fülle. Wichtig sind vor allem einheimische Arten. Zwei verschiedene Typen sind von großer Bedeutung: Dichte Sträucher, wo die Vögel darin nisten können und solche, in denen sie viel Nahrung finden, sprich Beeren tragende - und da gibt es ja eine ganze Palette. Angefangen von ganz früh fruchtenden wie dem schwarzen Holunder oder der Heckenkirsche bis hin zum Efeu, der dann erst im nächsten Frühjahr seine Beeren anbietet. Wichtig sind, so es der Raum erlaubt, alle möglichen Bäume in unterschiedlichsten Schattierungen. Natürlich kann man auch das Haus wunderbar nutzen, um es von oben bis unten einzugrünen. Es genügen im Grunde zwei Löcher. Eins zum rein- und rausgehen - die Türe und eins zum rein und rausgucken - das Fenster. Den Rest kann man im Grunde zuwachsen lassen und sich dann lieber im Garten aufhalten als drin im Haus, was wesentlich gesünder und interessanter ist. Damit ist im Grunde schon gesagt wie ein vogelfreundlicher Garten aussehen soll.

Leider werden infolge der gestiegenen Grundstückspreise auch die Hausgärten immer kleiner. Haben Sie auch für den kleinen Hausgarten, die Terrasse oder sogar für den Balkon einige Tipps, um unsere gefiederten Freunde zu unterstützen?

Ein kleiner Balkon oder Hausgarten lässt sich im Grunde genauso gestalten wie ein großer, natürlich mit weniger Pflanzen und Individuen, aber ebenso mit Vielfalt mit Rankenpflanzen, Töpfen Blütenpflanzen usw. Ich staune oft - ich habe das auch in meinem Buch beschrieben - wenn ich in Innenstädten bin, wie in Berlin oder Köln. In richtigen Betonwüsten, nicht weit vom Dom entfernt, hört man vom Bett aus die Vögel singen. Da fragt man sich, wo um alles in der Welt kann hier ein Vogel singen. Man geht dann durch die Straße und stellt fest, ah! schau mal ein richtig grüner Balkon und da singt ein Rotkehlchen oder eine Mönchsgrasmücke. Auch begrünte Dächer schaffen Leben. Also da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Inzwischen ist es ja so, wenn man sich mit vernünftigen Architekten zusammentut. Die grünen ja ganze Häuser ein. In Holland wird das ja gerade praktiziert. An einer einzigen Hausfront von wenigen 10 m2 Fläche wurden dort in einem Jahr bis zu 60 Vogelnester gefunden. Man kann hierdurch Vögel regelrecht konzentrieren und man staune und höre, diese Fassaden sind billiger als herkömmlich gedämmte, da hier viel weniger repariert werden muss, wenn Fassaden Schutz durch Pflanzen haben, als ohne Pflanzen. Dies muss natürlich fachlich richtig gemacht werden. Also da gibt es Entwicklungsmöglichkeiten ohne Ende.

Verlassen wir den privaten Gartenraum und wechseln in das halböffentliche und öffentliche Grün, um das sich die Gemeinden, oftmals unterstützt durch die Obst- und Gartenbauvereine kümmern. Wie sieht für Sie eine vogelfreundliche Gemeinde aus? Mit welchen Maßnahmen könnte man am effektivsten helfen?

Ganz ähnlich wie in den Gärten sollten nat. auch die Parks gemacht sein. Vor allem wenig mähen, viel stehen lassen, bunte Blumenwiesen anlegen, einheimische Pflanzen setzen und nicht irgendwelche exotischen Bäume pflanzen, die viel Arbeit abverlangen und kaum Insektenleben haben. Pflegeleichte Geschichten also, nicht dass da 5 Leute vom Bauhof ein Woche lang beschäftigt sind, nur um den Baum einigermaßen in Stand zu halten. Wir haben ja so viele wunderbare einheimische Pflanzen und dann einfach mal wieder überlegen, wie hat das vor 50 oder 100 Jahren ausgesehen, als unsere Gemeinden noch gesund waren. Alte Bilder rausnehmen und zu dem alten Grün zurückkehren. Damals waren die Gemeinden mit einem Grüngürtel umgeben, so dass man von den Häusern fast gar nichts gesehen hat. Heute ist es umgekehrt. Heute können sie im Weltall rumfliegen und sehen noch immer die nackten Gemeinden. Das ist im Grunde genommen der Weg zurück zur guten alten Zeit.

Wie sieht nach Ihren Erfahrungen eine ideale Vogelfutterstelle im Hausgarten aus?

Ideal für eine Vogelfutterstelle im Hausgarten ist ein großes und geräumiges Futterhaus. Es sollte so bemessen sein, dass ohne weiteres 10 oder 20 oder 30 Spatzen gleichzeitig reinkönnen, ohne dass sie sich auf die Zehen treten. Ein Zwischenboden für die Arten, die weniger ein geschlossenes Dach lieben ist sinnvoll- da gehen sogar die Ringeltauben und die Türkentauben drauf und eine Bodenfütterung, wo die ganz empfindlichen Arten wie Grünfinken hingehen können. Dann natürlich Spender mit Meisen Knödel, was das beste Futter im ganzen Jahr ist - im Sommer insbesondere, wo die Vögel ganz viel arbeiten müssen und von morgens vier bis abends zehn fliegen, fliegen, fliegen und die Energie wie Wasser durch den Körper läuft. Die muss ja irgendwie nachgeliefert werden und da ist der Meisen Knödel das Beste. Wir haben hier oben (zeigt auf den Giebel seines Hauses) den Starenkasten, immer besetzt, alle Jungen kommen durch. Nach ihrer Fütterung, besonders wenn sie weit fliegen müssen, gehen sie runter an den Meisenknödel, tanken sich voll mit dem Treibstoff für die nächsten Flüge und holen ihre Insekten, die sie mit Mühe gerade mal zusammen bekommen. Die können sie dann an die Jungen verfüttern. Das ist im Grunde genommen schon das ganze Geheimnis einer Vogelstelle im Garten.

Werfen wir noch einen abschließenden Blick auf den fortschreitenden Klimawandel. Gerade in diesem Jahr hatten wir ja wochenlang eine fast schon mörderische Hitze und Trockenheit. Wie kommen eigentlich unsere Vögel damit klar? Kann man auch bei Hitzewellen gezielt helfen?

Zunächst einmal muss man sagen, dass die Hitze besser für die Vögel ist als Kühle und Nässe. Die meisten Vögel brauchen ja Insekten zur Jungenaufzucht. Von denen sind natürlich bei gutem Wetter mehr unterwegs als bei Dauerregen und Kühle, wo die meisten Insekten auf der Unterseite von Blättern sitzen und kaum zu finden sind. Deswegen haben wir auch ja im Mittelmeergebiet ein relativ gutes Vogelleben - auch in den heißen Monaten - also das ist kein Problem. Was natürlich gebraucht wird bei uns im Sommer ist Wasser. Wir haben bei uns keine Vogelarten, die von dem Wasser der Körner oder der Insekten allein leben können. Unsere Vögel müssen Wasser aufnehmen. Deshalb gehört in jeden gescheiten Garten neben der Fütterung eine Vogeltränke und ein Vogelbad. Das ist ganz wichtig.